Die Geschichte der Weltausstellungen

Die Weltausstellung 1851 in London
Ein riesiges Gewächshaus: Der Kristallpalast


Jahr: 1851
Stadt: London
Land: Großbritannien
Dauer: 1. Mai - 11. Oktober 1851
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Copyright: Official Catalogue 1851, Bd. 1, S. 66
Wahrzeichen

Entgegen allen Gebräuchen der viktorianischen Zeit hatte Joseph Paxton bei seinem Entwurf weitgehend auf dekorative Elemente verzichtet: das Ausstellungsgebäude sollte nur einem zeitlichen bemessenen, eindeutigen Zweck dienen und daraufhin war es konstruiert worden. Einzig mit Farben wurden die Bauelemente hervorgehoben: Der Innenraum wurde weiß, rot, blau und gelb bemalt, das Äußere war in hellem Blau gehalten. Die industriellen Möglichkeiten des Landes, etwa aus dem Eisenbahnbau und in der Glasfabrikation, wurden voll ausgeschöpft: so wurde das Dach mit genormten Glasplatten im Format 124 x 25 Zentimeter gedeckt, für die ein Drittel der gesamten britischen Glasproduktion eines Jahres herhalten musste. Diese Glasplatten gaben nicht nur das Raster für das Dach, sondern auch für das ganze Gebäude vor. Nur vier Trägertypen, die zwischen sieben und 22 Meter lang waren, mussten daher entwickelt und gegossen werden. Die Säulen hingegen konnten verschraubt werden und dienten gleichzeitig als Rohrsystem zur Ableitung des Regenwassers. Die gusseisernen Säulen und Träger wurden industriell hergestellt, vor Ort noch mit einer hydraulischen Presse auf ihre Festigkeit geprüft und dann mit Kränen und Flaschenzügen montiert. Mit diesem beliebig verlängerbaren Konstruktionsraster entstand eine Struktur, die dreimal so lang war wie die St. Pauls Kathedrale.

Paxton hatte ein dreistufiges Gebäude entworfen, das von einem 20 Meter hohen Hauptschiff mit 563 Meter Länge dominiert wurde. Seitlich lagerten sich 14 Meter hohe Seitenschiffe an. In das Hauptschiff wurden seitlich Galerien eingebaut, um die Ausstellungsfläche zu vergrößern. In der Mitte teilte dieses Schiff ein mit einem Tonnendach gewölbtes Querschiff. Dessen Tonnendach war ein Zugeständnis an die Natur, konnten doch nur so drei große alte Ulmen erhalten bleiben. Auch diese Rücksichtnahme trug sehr zur Popularität des Gebäudes bei. Da nur die Seitenwände der Seitenschiffe aus Holz errichtet wurden, bestand der Rest des Gebäudes ganz aus Gusseisen und Glas, durch das helles Tageslicht ungefiltert einfiel. Vor allem im 41 Meter hohen Querschiff schien sich die ganze Konstruktion in ein feines Netzwerk aus Eisen und reines Himmelslicht aufzulösen. Alle herkömmlichen Vorstellungen von Architektur - klare, die Proportionen vorgebende Wände, Fenster, die einen eindeutig gerahmten Ausblick gewährten, und ein festes, schützendes Dach - waren von Paxton ignoriert worden. Zeitgenossen hatten Mühe, diesen vollkommen neuartigen Raumeindruck im Kristallpalast zu beschreiben. Doch sollte weniger diese "zauberhafte poetische Luftgestalt", wie sie ein Kritiker zwanzig Jahre später lobte, als die industrielle Produktion der Bauteile und ingenieurmäßig geplante Errichtung des Gebäudes für die Architektur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bahnbrechend wirken.

Der enorme Zeitdruck führte allerdings zu einigen Konstruktionsfehlern. Vor allem war das Glasdach keineswegs regendicht, da die Platten nicht immer präzise angeschraubt worden waren oder bei der Montage beschädigt wurden. Kurzfristig bedrohte auch ein Streik der Bauarbeiter die termingerechte Fertigstellung. Mitten im Winter saßen die Dachdecker täglich achtzehn Stunden auf speziell konstruierten Wägelchen, mit denen innerhalb von einer Woche 18 000 Glasplatten an einem von Paxton entwickelten Trägersystem befestigt werden konnten. Für diese gefährliche Tätigkeit verlangten die Bauarbeiter die Erhöhung des Lohns von vier auf fünf Shilling. Die Firma Fox & Henderson konnte sich in dieser Situation keine schlechte Presse leisten, also reagierte man schnell und effizient: die Anführer des Streiks wurden entlassen, den übrigen Bauarbeiter wurde gleiches angedroht, aber gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, zu den alten Bedingungen weiterzuarbeiten. Immerhin war die Arbeitssicherheit größer als auf anderen Baustellen. In der 'Illustrated London News' wurde von nur drei schweren Unfällen berichtet.



EXPOSEEUM - Das Weltausstellungsmuseum, Hannover, Expo Plaza 11
Geöffnet jeden Sonntag von 11 bis 16 Uhr