Die Geschichte der Weltausstellungen
|
[Alle Weltausstellungen]
|
[Home(EXPO 2000)]
 1 

 2 

 3 

 4 

 5 


Copyright: Kraemer 1900, o.S.

In der Pariser Ausstellung von 1900 versetzten weniger architektonische Neuerungen das Publikum in Staunen als vielmehr die bühnenhaften Illusionen. Dazu gehörten etwa die auf perpektivische Wirkung hin angelegten Straßenzüge oder Gebäudekomplexe, die mit der Wahrnehmung von Größen und Entfernungen innerhalb der Gesamtanlage spielten.
Aus dem Wasserschloss von Paulin ergoss sich ein 29 Meter hoher Wasserfall, der sich vor einer reich ornamentierten Eisenbetonfassade aus einem breiten Becken in mehrere kleinere verteilte und allerlei Wasserspiele auslöste. Menschen- und Tiergestalten belebten die künstlichen Felsen und Grotten.
Dicht hinter diesem Spektakel, das nachts beleuchtet wurde, befand sich das Palais de l'Electicitét, das von einer feingliedrigen, nach allen Seiten strahlenden Sternenkonstruktion aus Eisen bekrönt wurde. Die perspektivische Wirkung am Tage wurde mit elektrischer Beleuchtung bei Dunkelheit verstärkt und verwandelte zusammen mit den beleuchteten Wasserspielen das Marsfeld in ein Lichtermeer. Im Inneren wurde diese Stimmung in einem Illusionssaal wieder aufgenommen, dessen Gewölbe sich unendlich in alle Himmelsrichtungen fortzusetzen schienen - ein Effekt, der durch elektrische Beleuchtung, perspektivische Malerei und Spiegel erzeugt wurde. Außerdem gab es einen reich geschmückten Festsaal in der Maschinenhalle, der an ein riesiges Zirkuszelt mit großer bunter Glaskuppel erinnerte, die den Raum auch tagsüber mit farbigem Licht ausmalte.

Während Künstler des ausgehenden 19. Jahrhunderts bereits neue bildnerische oder szenische Sprachen erprobt hatten, die von der nachahmenden Darstellung der Realität mit Hilfe von Illusionsmöglichkeiten radikal weggeführt hatten, erblühte die Gesamtheit der Weltausstellung in barockem Bühnenbildzauber, um dem Zuschauer emotionale Erlebnisse zu ermöglichen. Spielereien wie ein auf dem Kopf stehendes Haus - "le manoir à l´envers" - machten deutlich, dass aus der anfangs geplanten Bildungsveranstaltung ein Jahrmarkt großen Ausmaßes geworden war, dessen Schwerpunkte in Zerstreuung und kurzlebigen Attraktionen für ein sensationshungriges Publikum lagen. Die technischen Neuerungen wurden größtenteils eingesetzt, um durch kaleidoskopartige Blicke eine Atmosphäre des schönen Scheins zu erzeugen. Selbst für das Universum war ein überschaubares Modell auf dem Platz vor dem Eiffelturm gefunden worden. Drei einander umschließende Kugeln von 46, 36 und 8 Metern Durchmesser ergaben einen auf 60 Meter Höhe installierten Riesenglobus, dessen äußere Schicht das Universum, die mittlere das Sternensystem und innerste den Erdball symbolisierte. Über eine Wendeltreppe konnten die Besucher bis an den Nordpol emporsteigen und von dort zu Orgelmusik von Saint-Saëns einen Blick auf das gemalte, doch bewegte Firmament genießen. Eine mechanische Konstruktion, die die Kugelschalen entsprechend den Planetenumlaufbahnen zueinander in Bewegung versetzte, sorgte für den kinetischen Effekt.

Ein Projekt zeigte allerdings schon damals die realen Grenzen der scheinbar unendlich unterhaltsamen Täuschungsmanöver. Entlang der Seine wollte man den Besuchern einen Spaziergang durch das - Zeichnungen und Gemälden nachempfundene - "alte Paris" vor vier Jahrhunderten ermöglichen. Der Anspruch, Geschichte durch moderne Kulissen nachzubauen und so eine historische Stadt innerhalb der Stadt auszustellen war politisch wie ästhetisch ebenso fragwürdigwie die rücksichtslose Aneignung fremder Kulturen in der Inszenierung der Kolonialausstellung vor dem Trocadéro mit Gipskopien berühmter Moscheen . Die Idee der Steigerung einer herkömmlichen Weltausstellung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wo sich die Entwicklung neuer Kommunikationsmittel und -möglichkeiten ankündigte, verlor sich in bombastischer, unreflektierter Kraftanstrengung. Bereits in der zeitgenössischen Kritik sprach man vom Tod der Idee der Weltausstellung - es war an der Zeit, ein neues Konzept für die großen internationalen Ausstellungen zu finden.


deutsch | english
1851 | 1862 | 1867 | 1873 | 1876 | 1889 | 1893 | 1900 | 1904 | 1929 |
1933 | 1937 | 1939 | 1958 | 1962 | 1967 | 1970 | 1992 | 1998 | 2000
Die Weltausstellung 1900 in Paris
Bühnenhafte Illusionen
Jahr: 1900Stadt: ParisLand: Frankreich
Dauer: 15. April - 12. November 1900

 

 

Printversion - Click Here