Die Geschichte der Weltausstellungen
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Copyright: Leipziger Illustrierte Zeitung, 3.5.1873

Ganz dem Wunsch des Kaisers entsprechend, der bereits 1866 den Prater als Ort der Weltausstellung 1870 vorgesehen hatte, wurde 1869 das ehemalige kaiserliche Jagdrevier zum Ausstellungsgelände bestimmt. Kritiker sahen große Nachteile in der Entfernung des Parks vom Stadtzentrum und in der Überschwemmungsgefahr durch die Donau. Doch im Zuge der Stadterneuerung Wiens war das Gebiet des Prater mit in die Baumaßnahmen einbezogen worden. Die technischen Voraussetzungen für die Abhaltung der Weltausstellung in Wien waren erst seit wenigen Jahren gegeben. Zwischen 1868 bis 1873 war die Länge der österreichischen Eisenbahnlinien um mehr als das Doppelte angewachsen. Die sechs in Wien aus allen Himmelsrichtungen einmündenden Bahnstrecken schufen die Grundlage für ungehinderten Fremdenzustrom und Warentransport. Die Anzahl der Pferdetrambahnen für den innerstädtischen Personenverkehr wurde ebenfalls beträchtlich vermehrt. Für die Donau wurde ein neues Flussbett gegraben, um die jahrhundertealte Überschwemmungsgefahr der Stadt und des Praters zu bannen.

Die Donauregulierung, die selbst als Exponat der Weltausstellung angemeldet wurde, ermöglichte im nördlichen Teil des Praters die Errichtung des Nordbahnhofs, von dem während des Ausstellungsaufbaus Schienenstränge selbst bis in die einzelnen Ausstellungsbauten führten. Die aus der Donauregulierung ebenfalls resultierende Absenkung des Grundwasserspiegels war eine Voraussetzung für die Verbesserung der Trinkwasserversorgung Wiens, mit der man, zusammen mit dem Bau von neuen Spitälern, die immer wieder drohende Gefahr von Epidemien wie der Cholera zu bannen suchte. Der Wurstelprater im westlichen Teil des Pratergeländes wurde im Zuge der Weltausstellung renoviert und "kultiviert". Die locker gewachsene Struktur des seit Beginn des 18. Jahrhunderts beliebten Vergnügungsparks fiel bürgerlichem Ordnungssinn zum Opfer. Unter der Leitung des Architekten Lothar Abel wurden ab 1871 Schaustellerbuden abgerissen, Straßen begradigt und verbreitert, Obdachlose vertrieben und regelmäßige Häuserzeilen nach Plan angelegt. Der Wurstelprater - nun Volksprater genannt - hatte damit für viele seinen volkstümlichen Reiz verloren, während die Befürworter mit längst überfälliger "Veredelung in den Volksvergnügungen" argumentierten. Ignorant propagierte man "eine wohlthätige Änderung in der früher ziemlich verirrten Geschmacksrichtung des Wiener Publikums" - ein charakteristisches Beispiel für die rigiden Eingriffe und kompromisslose Umgestaltung eines städtischen Organismus mit sozialpolitischen Konsequenzen.

Tatsächlich kritisierten Gegner die Umgestaltung Wiens und das Projekt Weltausstellung als Fehlplanung, da nur aristokratischer Luxus kurzsichtig gefördert werde und sich vor diesem Hintergrund die sozialen Missstände potenzierten. Statt einer Eindämmung der Wohnungsnot auf die Sprünge zu helfen, investierte man für den Bau städtischer Repräsentationspaläste und Luxushotels. Selbst auf der Donau waren Hotelschiffe vor Anker gegangen, um dem erwarteten Fremdenverkehr zu begegnen. Die vielen für die Weltausstellung von auswärts Beschäftigten ließen in der Stadt die Preise für Wohnungen, Hotels und Lebenshaltung sprunghaft ansteigen. Nach Wien eingewanderte Arbeiter lebten in Massenquartieren; Ansässigen wurden die Wohnungen gekündigt, die zu Pensionen für Weltausstellungsbesucher umgebaut wurden. Wien zog Spekulanten geradezu an. Die Propaganda der liberalen Regierung für einen auch den unteren Bevölkerungsschichten zugute kommenden Wirtschaftsaufschwung wurde in dieser Zeit für viele zunehmend unglaubwürdiger.


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Die Weltausstellung 1873 in Wien
Donauverlegung und Ringstraßenglanz: Städtebauliche Maßnahmen
Jahr: 1873Stadt: WienLand: Österreich
Dauer: 1. Mai - 31. Oktober 1873

 

 

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